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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Höhe des kinderbezogenen Anteils im Familienzuschlag bei Beamten und Richtern mit mehr als zwei Kindern ist immer wieder Gegenstand von Widerspruchs- und Klageverfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.11.1998 (BVerfGE 99, 300ff.) die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur amtsangemessenen Alimentation von Richtern und Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern entwickelt und dem Besoldungsgesetzgeber für die Frage der Amtsangemessenheit der zu gewährenden Besoldung Vorgaben gemacht. So ist die Besoldung für die kinderbezogenen Gehaltsanteile nur dann amtsangemessen, wenn der Betrag um 15 v.H. über dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf für ein Kind liegt. Dem um 15 v.H. erhöhten sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf wird der durchschnittliche Nettomehrbetrag gegenübergestellt, den der Richter/Beamte für sein drittes und jedes weitere Kind erhält. Ergibt sich aus diesem Vergleich – bezogen auf das Nettoeinkommen – eine Unterdeckung gegenüber dem um 15 v.H. erhöhten sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf, ist der Richter/Beamte nicht amtsangemessen alimentiert und er hat einen Anspruch auf (Nach-) Zahlung des Unterschiedsbetrags. Dieser Anspruch ist im Wege des Widerspruchs innerhalb des laufenden Haushaltsjahres (§ 4 Abs. 7 NBesG) und – bei Erfolglosigkeit des Widerspruchsverfahrens – im Klageverfahren geltend zu machen.
Trotz dieser grundsätzlichen Klärung durch das BVerfG können die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs oder einer Klage nicht immer eindeutig prognostiziert werden. Denn der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf setzt sich u. a. aus Zuschlägen für die Unterkunfts- und Heizkosten zusammen. Für die Berechnung der Zuschläge muss auf die durchschnittliche Bruttokaltmiete zurückgegriffen werden, die dem Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung entnommen wird. Dieser Wohn- und Mietenbericht wird jedoch nur alle zwei Jahre erstellt. Dies bedeutet, dass die für die Vergleichsberechnung relevanten Zahlen oftmals erst im Folgejahr bekannt sind, der Widerspruch jedoch bereits im laufenden Haushaltsjahr (Kalenderjahr) eingelegt werden muss.
Hierdurch läuft der einzelne Antragssteller Gefahr, dass sich der fristwahrend eingelegte Widerspruch bzw. das Klageverfahren später als unbegründet erweist und eine diesbezügliche Klage der kostenpflichtigen Abweisung unterliegt. In Ansehung dieses Problems möchte der NRB seinen von dieser Problematik betroffenen Mitgliedern die mit der Notwendigkeit des Widerspruchs und ggf. der Klageerhebung einhergehenden Kostenrisiken, aber auch die damit verbundene nicht unerhebliche Mühe ersparen.
Der NRB hat aufgrund einiger erfolgreicher Widerspruchsverfahren die Erhebung einer Musterklage hinsichtlich der Höhe des Familienzuschlags bei Beamten und Richtern mit mehr als zwei Kindern erwogen, letztlich davon aber Abstand genommen. Denn das Ergebnis einer Musterklage, die z. B. hinsichtlich des kinderbezogenen Anteils im Familienzuschlag für das Jahr 2019 geführt würde, könnte aller Voraussicht nach nicht oder nicht im hinreichenden Umfang auf die Folgejahre übertragen werden, da dann wieder andere Daten bei der Berechnung zugrunde gelegt werden müssten.
Der NRB hat daher das Gespräch mit dem Nds. Finanzministerium gesucht und in Verhandlungen, die im Wesentlichen von Oliver Sporré, unserem ehemaligen Mitglied im Bundespräsidium, geführt wurden, erreicht, dass das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV) ab demJahr 2018 bei Vorliegen der Voraussetzungen allen Anspruchsberechtigten von Amts wegen nachträglich eine zusätzliche Alimentation für dritte und weitere Kinder gewährt. Dies bedeutet, dass das NLBV im Folgejahr von Amts wegen aufgrund der dann vorliegenden Zahlen zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf den bereits gewährten Familienzuschlag überprüft und ggf. eine Nachzahlung veranlasst. Mit dieser Absprache soll vermieden werden, dass der Richter/Beamte nach einem zügig durchgeführten und für ihn negativen Widerspruchsverfahren binnen eines Monats entscheiden muss, ob er Klage erhebt, obwohl die Berechnungsgrundlagen noch fehlen und er mithin die Erfolgaussichten nicht abschließend beurteilen kann.
Auf das in § 4 Abs. 7 NBesG enthaltene Erfordernis einer zeitnahen Geltendmachung von Besoldungsansprüchen verzichtet das NLBV. Hier ist allerdings Vorsicht geboten, da – soweit ersichtlich - noch nicht gerichtlich geklärt ist, ob das NLBV überhaupt wirksam auf das gesetzliche Erfordernis einer zeitnahen Geltendmachung verzichten kann. Höchst vorsorglich wird daher empfohlen, im laufenden Haushaltsjahr Widerspruch einzulegen und in der Begründung darauf hinzuweisen, dass die von Amts wegen vorzunehmende Neuberechnung abgewartet und der Widerspruch vorerst nicht beschieden werden soll.
Einen Musterwiderspruch finden Sie nebenstehend zum Download.
Da der Richterbund auch zu diesem Thema in einem ständigen Austausch mit dem Nds. Finanzministerium steht, wäre ich für Rückmeldungen, wie mit der Absprache seitens des NLBV in der Praxis verfahren wird, sehr dankbar.
Herzliche Grüße
Frank Bornemann