Presseerklärung vom 29.08.2013: Richterbund fordert gründliches Nachdenken über Richterwahlausschuss

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Justizministerin Niewisch-Lennartz hat in den letzten Tagen mit Schlagzeilen wie „Niedersachsens Gewerkschafter sollen Richter aussuchen“ oder „Mehr Migranten als Richter“ für Aufsehen gesorgt. Es geht um die Einrichtung eines sog. Richterwahlausschusses unter Einbindung gesellschaftlicher Kräfte wie Gewerkschaften und Religionsgemeinschaften.

„Die Auswahl, Ernennung und Beförderung von Richterinnen und Richtern ist von zentraler Bedeutung für die richterliche Unabhängigkeit“ sagte Andreas Kreutzer, Vorsitzender des Niedersächsischen Richterbundes (NRB), „es muss deshalb sichergestellt werden, dass ausschließlich die persönliche und fachliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber den Ausschlag geben und nicht der ethnische, politische, soziale oder religiöse Hintergrund. Ich bin für gesellschaftliche Vielfalt, auch in der Richterschaft; es wäre aber fatal, wenn gesellschaftliche Gruppen über die Auswahl von Richtern versuchen wollten, in ihrem Sinn Einfluss auf die Rechtsprechung zu nehmen.“

In Niedersachsen werden Richterinnen und Richter von der Justizministerin ernannt, in bestimmten Fällen unter Mitwirkung des Präsidialrats, einem von der Richterschaft direkt gewählten Mitbestimmungsgremium. „Der NRB setzt sich seit Jahren für eine Stärkung der Rechte des Präsidialrats ein, “betonte Kreutzer, “insbesondere bei der Einstellung als Proberichter und bei der ersten Berufung ins Richterverhältnis auf Lebenszeit. Dabei muss angesichts des immer härter werdenden Kampfes um die guten Leute aber sichergestellt sein, dass nach den Einstellungsgesprächen möglichst unverzüglich über die Einstellung entschieden wird.“

Die Gefahr, dass Richter bei der Auswahl von Richtern nur „Abziehbilder ihrer selbst“ produzieren - so die Ministerin laut FAZ vom 22.08.2013 in einem durchaus ungewöhnlichen Bild - sieht der NRB nicht. „Die Richterschaft in Niedersachsen zeichnet sich durch eine Vielfalt hoch kompetenter und motivierter Menschen mit sehr unterschiedlichen Biografien aus. Diese Menschen leben die richterliche Unabhängigkeit und fühlen sich, wie von der Verfassung vorgegeben, nur an Recht und Gesetz gebunden, nicht aber an die Vorstellungen irgendeiner gesellschaftlichen Gruppe.“

Die Überprüfung der Eignung und Befähigung von Bewerberinnen und Bewerbern für ein Richteramt erfolgt derzeit in einem gut ausdifferenzierten Verfahren unter Beteiligung von Fachleuten aus dem Justizministerium, den obersten Landesgerichten, den Generalstaatsanwaltschaften und den Richtervertretungen. Dabei geht es nicht nur um juristische Leistungen, sondern insbesondere um Fragen der sozialen Kompetenz oder des verantwortungsvollen Umgangs mit Macht. „Wir sind in 60 Jahren in Niedersachsen ohne einen Richterwahlausschuss ausgekommen,“ erinnerte Kreutzer weiter, „wir müssen deshalb sehr vertieft über viele Fragen nachdenken, etwa ob und ggfs. mit welchem Modell eines Richterwahlausschusses eine Verbesserung bei den Personalentscheidungen erreicht werden kann oder ob - etwa im Hinblick auf die demokratische Legitimation der Richterschaft - die Einrichtung eines Richterwahlausschusses geboten ist. Ich begrüße deshalb die Zusage der Ministerin, mit den Richterverbänden und -vertretern eine gründliche und ergebnisoffene Diskussion zu führen. Bei dieser Diskussion stehen wir allerdings erst ganz am Anfang.“


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