Auf dem Weg zu mehr Sicherheit – Weiterhin nur Schneckentempo? (04.2013)

© Rainer Sturm / pixelio.de

Das Land Baden-Württemberg will seine Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte besser vor Gewalttaten schützen. Für die Installation zusätzlicher Schutzsysteme sollen in diesem und im kommenden Jahr insgesamt vier Millionen Euro investiert. Ähnliches würden wir gerne auch für Niedersachsen vermelden können.

Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) bestätigt, worauf der NRB seit Jahren immer wieder hinweist: "Wir stellen eine steigende Zahl von Übergriffen fest." Opfer seien Bedienstete der Justiz, von der Servicekraft über Rechtspfleger bis hin zu Richtern und Staatsanwälten. "Wir haben damit eine ähnliche Entwicklung, wie sie die Polizei verzeichnet." Sicherheit an Gerichten müsse zu einem größeren Thema werden. Dies diene auch dem Schutz von Zeugen und Zuhörern. "In den vergangenen zehn bis 15 Jahren ist die Problematik vernachlässigt worden", sagte der Minister. "Die Gerichte im Land sind offene Gebäude, in die jeder reinspazieren kann." Sie seien damit nicht mehr sicher genug.[1]

Auf dem Weg zu mehr Sicherheit bewegt sich Niedersachsen seit Jahren im Schneckentempo.

Am 11.07.2007 verabschiedet die Landesvertreterversammlung des NRB die „Braunschweiger Erklärung“. Darin fordert der NRB das Niedersächsische Justizministerium (MJ) auf, unverzüglich unter Beteiligung des Landeskriminalamtes und des Staatlichen Baumanagements eine Arbeitsgruppe einzurichten, mit der Erarbeitung von Sicherheitsstandards zu beauftragen und diese umzusetzen.

Es vergehen mindestens 356 Tage!

Im Mai 2008 legt MJ die Handreichung „Sicherheit in den Gebäuden der Justiz (ohne Justizvollzug)“ vor. Diese Handreichung soll dazu dienen, den Behördenleitungen die erforderlichen Grundkenntnisse zu vermitteln.

Es vergehen 588 Tage, in denen sich die tragischen Vorfälle von Landshut und Dresden ereignen.

Auf der Sicherheitskonferenz des MJ vom 10.12.2009 äußert der damalige Justizminister Bernd Busemann (CDU): „Eines ist klar: Waffen jeglicher Art gehören nicht in Gerichtssäle. Das müssen wir durch Zugangskontrollen sicherstellen.“ Dies stimmte zuversichtlich, dass Niedersachsen nun mit großen Schritten voranschreiten werde.

Nur 34 Tage später:

Am 13.01.2010 wird im Papier „Sicherheit in den Gebäuden der Justiz, Strategische Ziele und Grundsätze“ des MJ die Formulierung „Es sind Zugangskontrollen durchzuführen. Die inhaltliche Ausgestaltung wird durch eine AV geregelt.“ eingefügt.

Es vergehen 454 Tage!

Am 12.04.2011 stellt MJ die in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen erarbeiteten Bestands- und Gefährdungsanalysen für die einzelnen Gerichte und Staatsanwaltschaften vor. Ermittelt wurden für jeden Standort der Idealzustand und die Gefährdungsstufe.

Es vergehen 394 Tage!

Mit Erlass vom 10.05.2012 stellt MJ fest: „Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass regelmäßige, anlassunabhängige Kontrollen dringend erforderlich sind.“ Die Erkenntnisse sollen genutzt werden, um abgestuft nach dem jeweiligen Gefährdungsgrad Einlasskontrollen durchzuführen.

Am 22.10.2012 beschreibt der damalige Justizminister Busemann als Ziel „unter anderem eine anlassunabhängige umfassende Eingangskontrolle“.

Mit den Kontrollen wurde am 01.10.2012 begonnen. Eine Erhöhung der Kontrolldichte ist für den 01.07.2013 geplant. Eine Evaluation soll dann drei Jahre später also nach dem 30.06.2016 stattfinden. Diese wäre ein verordneter Stillstand von 1.095 Tagen!

Die bisher angeordneten Maßnahmen sind unzureichend. Die Anstrengungen für die Sicherheit müssen deutlich erhöht werden.

Was erwarten wir von der neuen Landesregierung?

Vor der Landtagswahl am 20.01.2013 hat die SPD zu den Wahlprüfsteinen des NRB erklärt: „Wir wollen ein umfassendes Sicherheitskonzept im Dialog mit allen Betroffenen entwickeln, das einerseits den Sicherheitserfordernissen, andererseits aber auch unseren Vorstellungen offener Gerichte Rechnung trägt.“ In der Koalitionsvereinbarung der beiden Parteien heißt es: „Die rot-grüne Koalition nimmt die Sicherheitsbedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie der Rechtssuchenden ernst. Wir werden intelligente, die jeweiligen Gefährdungsgrade besser berücksichtigende Lösungen finden, bei weiterhin offenen und für jedermann zugänglichen Gerichten.“

Diesen schönen Worten müssen Taten folgen!

Bayern[2] und Baden-Württemberg schätzen die Situation richtig ein. Sie befinden sind nicht auf einem Irrweg.

Wir brauchen endlich eine konkrete Finanzplanung zur Umsetzung des bereits vor zwei Jahren in den Bestandsanalysen ermittelten Bedarfs. Das geht nicht ohne eine deutliche Aufstockung des Justizwachtmeisterdienstes. So hält z.B. die AG Justiz die Schaffung von insgesamt 200 zusätzlichen Stellen im Justizwachtmeisterdienst für erforderlich.

Wir müssen auf der Grundlage der seit 2007 geführten Diskussionen nach Wegen suchen, tägliche, generelle Zugangskontrollen in allen Gerichten und Staatsanwaltschaften und einen gleichen Sicherheitsstandard für Haupt- und Nebengebäude möglichst bald zu realisieren. Eine erneute Grundsatzdebatte bringt uns nicht weiter!

Armin Böhm
Stellv. Vorsitzender

Quelle: NRB Newsletter April 2013, S. 6 f.

[1] vgl. www.badische-zeitung.de/suedwest-1/wachtmeister-fuer-richter--69733185.html vom 06.03.2013
[2] vgl. www.bild.de/regional/muenchen/muenchen/bayerns-justiz-schottet-sich-ab-22386684.bild.html vom 31.01.2012